Legasthenie-Therapie im Fach Deutsch
Liebe Eltern, wenn sich Ihr Kind beim Lesen und Schreiben besonders schwer tut, stellen Sie sich folgende Fragen:
- Schreibt Ihr Kind ungewöhnlich viele Wörter falsch?
- Vertauscht Ihr Kind Buchstaben (statt „fragt”: „fargt”)?
- Verwechselt es ähnlich klingende Buchstaben (b-p / d-t / g-k)?
- Errät Ihr Kind viele Wörter?
- Hört Ihr Kind in den Wörtern die Einzellaute nicht?
- Hat Ihr Kind Konzentrationsschwierigkeiten?
- Hat Ihr Kind eine extreme Lese- und/oder Schreibunlust?
Wenn Sie bei Ihrem Kind mehrere dieser Fragen mit Ja beantworten müssen, besteht der Verdacht auf eine Legasthenie oder Lese-Rechtschreibschwäche. Lassen Sie Ihr Kind testen. Test und Beratung im Legasthenie-Zentrum sind kostenlos und unverbindlich.
Lese- und Rechtschreibtests in Deutsch können ab Ende der ersten Grundschulklasse durchgeführt werden. Das Legasthenie-Zentrum ist eine Facheinrichtung auf privater Ebene zur Diagnose und Behandlung einer Lese-Rechtschreibschwäche (Legasthenie).
Die Fachkräfte des Zentrums, die sich seit 1984 hauptberuflich der Behandlung der Legasthenie und deren weiterer Erforschung widmen, sehen sich zuständig für alle Schwierigkeiten im Bereich des Lesens und Schreibens, sofern diese die Möglichkeiten der schulischen Förderung überschreiten und sofern sie nicht durch medizinische Maßnahmen zu beseitigen sind. Die Therapie baut auf dem lautanalytischen Funktionstraining (LAFT®) auf. Daraus ergeben sich fünf Schwerpunkte für die Arbeit des Legasthenie-Zentrums und für seine Zusammenarbeit mit anderen Institutionen:
- Diagnose und Beratung
- Therapieansatz
- Therapiebegleitende Maßnahmen
- Weiterbildung für Erwachsene (Legastheniker und Analphabeten)
- Öffentlichkeitsarbeit
1. Diagnose und Beratung
Hauptziel der Diagnose- und Beratungstätigkeit ist es, eine Legasthenie möglichst frühzeitig zu erkennen, um sensible Phasen („Schlüsseljahre”) in der Entwicklung eines Kindes nicht ungenützt verstreichen zu lassen. Lese- und Rechtschreibprobleme dürfen nicht als Entwicklungsverzögerung („Spätentwickler”) betrachtet werden, welche sich mit der Zeit von selbst auswachsen würde. Daher ist es wichtig, dass Kinder mit auffallend häufigen Fehlleistungen beim Lesen und Schreiben im Zweifelsfall auf eine Lese-Rechtschreibschwäche untersucht werden.
Eine rechtzeitige Förderung ist von entscheidender Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung und das seelische Wohlbefinden des Kindes. Für alle betroffenen Kinder und auch Erwachsene, die Gewissheit darüber haben wollen, wodurch ihre unzureichenden Lese- und Rechtschreibleistungen verursacht werden, bietet das Legasthenie-Zentrum diagnostische Tests an. Als Grundlage der Untersuchung dienen klassenspezifische Lese- und Rechtschreibtests. Sie klären ab, ob eine Legasthenie (Lese- und Rechtschreibschwäche) im Sinne einer Diskrepanz zwischen den Anforderungen der jeweiligen Klassenstufe und Schulart und den erbrachten Lese-Rechtschreibleistungen des jeweiligen Schülers vorliegen.
Die Testung wird durch eine Anamnese, die die individuelle und schulische Entwicklungsgeschichte des Kindes erhebt, ergänzt. Auf Grund der Beobachtung während der Testsitzungen ergeben sich häufig Hinweise auf Sprachentwicklungsstörungen sowie Sprechstörungen (z.B. Stottern, Lispeln, Artikulationsschwächen), Störungen in der Motorik, Wahrnehmung und Konzentration des Klienten. In diesen Fällen wird in Absprache mit den Eltern oder betroffenen Erwachsenen Kontakt mit den entsprechenden Facheinrichtungen zur Behandlung aufgenommen. Mit Hilfe einer qualitativen Fehleranalyse wird sodann ein Fehlerprofil erstellt, das die Fehlerschwerpunkte des Klienten beim Schreiben und Lesen darstellt und sie auf ihre Ursachen zurückführt.
Die qualitative Fehleranalyse ermöglicht es, die Quellen von Lese- und Rechtschreibfehlern Schritt für Schritt einzugrenzen, bis sich eine individuelle Defizitanalyse ergibt. Sie liefert die Basis für einen Therapieverlaufsplan (bei leichten Schwächen im Bereich der Lesekompetenz und/oder Rechtschreibung ersatzweise einen Lern- und Arbeitsvorschlag für den Förderunterricht oder für häusliche Übungen), mit welchem die diagnostizierten Defizite systematisch abgebaut werden können. Die Methode dieser qualitativen Fehleranalyse ist eine Weiterentwicklung des Legasthenie-Zentrums auf Basis von DORA® (Dortmunder Rechtschreibfehleranalyse zur Ermittlung des Schriftsprachstatus rechtschreibschwacher Schüler von Ilona Löffler/Ursula Meyer-Schepers).
2. Therapieansatz
Ursachen und Erscheinungsbild der Legasthenie oder Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) sind verschiedenartig. Neben organischen Behinderungen können Wahrnehmungsschwächen, Sprechstörungen, kognitive Funktionsmängel und Lernschwierigkeiten auf Grund äußerer Bedingungen für ihr Entstehen verantwortlich sein. Da Lesen und Schreiben elementare Kulturtechniken sind, auf denen unser Bildungssystem entscheidend aufbaut, macht sich eine LRS, gleich wie sie zu Stande gekommen ist, meist schon bald nach der Einschulung des Kindes als erhebliches Hindernis für seine Lern- und Bildungschancen geltend.
Leistungskonkurrenz und Leistungsbeurteilung in der Schule schaffen für Kinder mit auffälligen Schwierigkeiten im Erwerb einer altersgemäßen Lese- oder Rechtschreibkompetenz eine stark belastende Situation, die das Selbstwertgefühl und die Lernmotivation dieser Kinder zusätzlich schädigen kann. Die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sind deswegen in aller Regel mehrfach beeinträchtigt. Die Therapie, die im Legasthenie-Zentrum praktiziert wird, berücksichtigt diese Erfahrung in der Form, dass sie in der Regel als Einzeltherapie stattfindet und bei allen Klienten ein Bedarfsprogramm von Maßnahmen anwendet, die dem Einzelfall gemäß ausgewählt werden.
Den Kern dieses Programms bildet das lautanalytische Funktionstraining und Rechtschreibprogramm nach der LAFT®-Methode, welches den Vorteil eines streng systematischen Aufbaus in kleinsten Lernschritten mit dem einer variablen Anwendbarkeit verbindet. Für das Legasthenie-Zentrum ist dieses Rechtschreibtraining der einzig unverzichtbare Bestandteil der Therapie. Denn keiner der bisher publizierten Versuche, Legasthenie allein durch psychotherapeutische Maßnahmen oder lernstrategische Programme ohne ausgewiesene spezifische, an der jeweiligen Fehlerschwerpunkten orientierte schriftsprachliche Übungen zu beeinflussen, blieb erfolgreich.
Das LautAnalytische FunktionsTraining (LAFT®)
wird seit 1984 umfassend in der Behandlung leichter bis schwerster Fälle einer Legasthenie angewandt. Es beruht auf der Erfahrung, dass bei LRS-Kindern die schulüblichen Formen der Sprachdidaktik versagen, so dass diese zu Förderungszwecken ungeeignet sind. Als Alternative praktiziert LAFT® das Verfahren der Lautanalyse: eine Rechtschreibmethode, welche erstens die sukzessive Zerlegung der Klanggestalt eines Wortes in Einzellaute und ihre Zuordnung zu Graphemen schult und zweitens regelhafte Schreibweisen weitgehend aus der Klanggestalt eines Wortes ableitet. Das Programm gliedert sich also grob in ein lautanalytisches Funktionstraining, das die elementare Laut-Zeichenverknüpfung einübt und ein Regelprogramm, welches auf dem primären Wahrnehmungsbereich logisch und zeitlich aufbaut.
Die Notwendigkeit und die Vorteile dieses Vorgehens begründen sich vor allem durch zwei Tatsachen:
Die große Mehrheit der Legastheniker zeigt bereits im primären Wahrnehmungsbereich mehr oder weniger schwerwiegende Fehlleistungen und ist infolgedessen unfähig, Regeln über abweichende Schreibweisen richtig anzuwenden. LAFT® berücksichtigt dies in der konsequenten Auswahl des Wortmaterials für jede Trainingsstufe. Zum Aufbau einer adäquaten Laut-Zeichenverknüpfung wird daher ausschließlich Wortmaterial ohne regelhafte Schreibweisen ausgewählt. Es ist falsch, diesen primären Wahrnehmungsbereich als „lautgetreuen Sprachbereich” zu definieren. Eine Entsprechung von Laut und Buchstaben des Alphabets im Sinne einer 1 zu 1- Zuordnung gibt es nicht.
Das Klangbild der einzelnen Phoneme variiert nach Ort und Umgebung des Einzellauts. Das Kind muss lernen, mehrere Lautvariationen einem Graphem zuzuordnen. Durch eine sorgfältige Feindifferenzierung der Schwierigkeitsstufen innerhalb des akustischen Wahrnehmungstrainings wird so die elementare Phonem-Graphem-Zuordnung in den verschiedenen Lautpositionen trainiert. Diese Vorgehensweise, die sich zunächst ausschließlich auf die richtige Zuordnung der verschiedenen Laute zu den Buchstaben des Alphabets sowie deren adäquater Anordnung in der Reihenfolge gehörter Lautstrukturen beschränkt, entspricht den kognitiven Problemen des Legasthenikers und führt so am schnellsten zu einer deutlichen Verminderung der Fehlerhäufigkeit in diesem Bereich.
Anschließend wird die verlässliche Basis für die Anwendung der orthographischen Regeln (für Dehnungs-h, Doppelkonsonanten u. a.) geschaffen. Denn die schulüblichen Techniken des Memorierens abweichender „Merkwörter” und die wenigen „Faustregeln”, welche im Unterricht mitgeteilt werden, nützen LRS-Kindern nichts. Ihr Gedächtnis für (scheinbar) willkürliche Schreibweisen arbeitet oft sehr mangelhaft (Merkschwäche), während ihr Regeldenken häufig gut entwickelt ist, wie sich an ihren meist guten mathematischen Leistungen zeigt. Daher hat sich der Weg der Lautanalyse als der effektivere erwiesen: fast alle regelhaften Schreibweisen lassen sich orthographisch korrekt durch die Lautanalyse der Wortstruktur lösen.
Bedingung für den Erfolg dieses Programms ist selbstverständlich, dass bereits die Legasthenie-Diagnose die Prüfung enthält, auf welcher Stufe der orthographischen Kompetenz die Schreibfehler des Klienten einsetzen und auf welche Schwierigkeiten sie zurückzuführen sind. Die fortlaufende Beobachtung während der Therapie ergänzt diese Einschätzung, so dass durch angepasste Lernschritte sehr bald erste Erfolgserlebnisse erreicht werden können. Das erste der Teilziele der Therapie besteht in der Verbesserung der Leistungsmotivation und des Arbeitsstils im Bereich des Lesens und Schreibens; Misserfolgserlebnisse und Schulmüdigkeit müssen kompensiert werden. Das zweite bildet die Schulung der orthographisch relevanten Wahrnehmungsfähigkeiten und Artikulationstechniken; sie sind die Grundlage für das Verständnis und die Anwendung von Rechtschreibregeln.
Zusätzlich ist oft ein Grammatiktraining nötig, da einige Rechtschreibregeln und -ausnahmen auf der semantischen und syntaktischen Funktion des Wortes beruhen. Sobald die wichtigsten orthographischen Gesetze beherrscht werden, muss die Fähigkeit zur Selbstkritik und -korrektur gefestigt werden, um die Anwendung der gelernten Operationen in Stress- und Prüfungssituationen wie in der Schule zu erreichen. Der letzte und oft langwierigste Schritt ist schließlich der von der bewussten Anwendung dieser Techniken zum automatisierten Rechtschreiben. Grundvoraussetzung für diese Arbeit sind Umstände, die das Vertrauen des Klienten zu den Therapeuten und die Motivation zum eigenen Therapieerfolg fördern. Dazu gehört selbstverständlich die Vermeidung aller Formen des Leistungsdrucks und emotional belastender Situationen in der Therapie, also als erste Bedingung die Arbeitsform der Einzeltherapie. Für LRS-Kinder sind Lerngruppen mit mehr als zwei Teilnehmern nicht vertretbar. Einmal wöchentlich findet während der Schulzeit nachmittags eine Therapiesitzung von 45 Minuten statt. Dazu kommen häusliche Übungen, nach welchen das Kind selbstständig die in der Therapie erarbeiteten Schreibweisen anwenden und einüben kann.
3. Therapiebegleitende Maßnahmen
umfassen Gespräche mit den Eltern, deren Verständnis und Unterstützung für die Therapie oft entscheidend sind. Zur Therapie gehört ebenfalls die Information der Deutschlehrer im Einverständnis mit den Eltern des Kindes und gegebenenfalls die methodische Abstimmung zwischen Unterricht und Therapie. Für interessierte Lehrer bietet das Legasthenie-Zentrum Vorträge sowie Schulungen zur Fortbildung in Legasthenie und Testauswertung an pädagogischen Tagen an.
4. Weiterbildungsmaßnahmen für Erwachsene (Legastheniker und Analphabeten)
Das Legasthenie-Zentrum führt für erwachsene Legastheniker und Analphabeten ein gesondertes Rechtschreibtraining durch, das neben den allgemeinen Rechtschreibfertigkeiten die jeweiligen berufsspezifischen Rechtschreiberfordernisse berücksichtigt. Die Organisation dieses Trainings ist gewöhnlich dieselbe wie in der Kindertherapie; es finden auch bei Erwachsenen prinzipiell nur Einzeltherapien statt.
5. Öffentlichkeitsarbeit
Das Legasthenie-Zentrum setzt sich seit seiner Gründung in der Öffentlichkeit für die Aufklärung über Legasthenie und ihre Behandlung ein. Ziel ist es, sowohl betroffene und interessierte Bürger, als auch beruflich mit LRS konfrontierte Pädagogen, Psychologen und Mediziner zu erreichen, um über die Notwendigkeit der Früherkennung und die Methoden wirksamer Förderung und Behandlung zu informieren.